Teil 1 dieses Beitrags hat vorgestellt, wie ein in sich verbundenes Gehirn arbeitet und so mit dem geringsten Energieaufwand das beste Ergebnis produzieren.
Dabei habe ich beschrieben, wie Angst Verbundenheit und Kongruenz im Gehirn unterbricht und die Teile des Gehirns aufhören zusammenzuarbeiten. Ein Ausnahmezustand, der in der Biologie ursprünglich dafür vorgesehen war, tödliche Gefahren abzuwenden.
Bis heute reagieren wir, wenn wir Angst bekommen, wie ein Tier, das sich bedroht fühlt - wir laufen weg oder kämpfen. Nur sind unsere Konflikte in der Regel heute nicht mehr körperlich. Doch das macht sie in unserem Empfinden um nichts weniger bedrohlich.
Dieser Teil der zweiteiligen Serie zum Thema Einklang mit mir schaut darauf, wie sich der Zustand der Verbundenheit im Körper zeigt und wie auf der Körper bei Angst den Einklang verliert. Was passiert also im Körper, wenn ich Angst habe? Und warum verliere ich auch da - genau wie mein Gehirn Verbindung und Kongruenz, Selbstbeziehung und Beziehung?
Der Körper wird mit Bewegungsenergie aufgeladen
Kommt es zu einer Gefahrensituation, dann spannen wir uns an. Egal, ob es sich um einen körperlichen Konflikt handelt, oder um einen Beziehungskonflikt, eine Prüfung, einen Auftritt vor Publikum. Die körperliche Reaktion ist instinktiv und wird automatisch, ohne unser bewusstes Zutun ausgelöst.
In Sekundenbruchteilen stellt der Körper vom parasympathischen auf das sympathische Nervensystem um. Der ganze Fokus geht nach außen und ist auf die Bedrohung gerichtet. Durch die Anspannung wird dem Körper Bewegungsenergie für die Muskeln zur Verfügung gestellt. Wozu Bewegungsenergie? Ganz einfach, damit wir uns verteidigen oder angreifen können - damit wir kämpfen oder flüchten können. Denn so ist die Angstreaktion seit Millionen von Jahren in allen Lebewesen organisiert. Und daran ändert auch der denkende Teil des Gehirns nichts, wie wir in Teil 1 dieser Serie gesehen haben.
Mit der Anspannung kommen zwei wesentliche Begleiteffekte. Die Haut wird weniger schmerzempfindlich, was im Falle eines Kampfes einfach ein Vorteil ist, um nicht gleich unter die Räder zu kommen. Und gleichzeitig werde ich durch die Anspannungen von weichen Emotionen abgeschnitten. Das heißt, ich nehme in der Anspannung meinen emotionalen Schmerz oder meine Traurigkeit nicht wahr. Ich spüre mich einfach emotional weniger. Auch das ist für den Kampf und die Flucht ein wirklich guter Überlebensmechanismus.
In der Angstreaktion geht es alleinig darum, aus der Gefahrenzone rauszukommen. Das ist der Fokus. Meine ganze Wahrnehmung in dem Zustand sagt, körperlich und emotional verletzlich kann ich dann immer noch sein, wenn die Gefahr vorbei ist. Jetzt muss ich mich schützen.
Die Bewegungsenergie muss sich entladen
Die Bewegungsenergie will sich entladen. Und im Tierreich geschieht das auch. Durch Flucht und Kampf wird die ganze zur Verfügung gestellte Energie in Bewegung umgesetzt. Das hat den gesunden Effekt, dass Tiere nach Kampf und Flucht unmittelbar wieder in einem entspannten Körper leben.
Mit der Entspannung des Körpers ist auch die Angst weg. Die Stresshormone wurden abgebaut. Alles ist wieder friedlich. Die Angst kommt erst wieder, wenn wieder eine reale Gefahrensituation kommt.
So bleibt der Körper verbunden und geschmeidig und die Tiere bleiben präsent in Verbindung mit ihren instinktiven und emotionalen Reaktionen.
Was passiert, wenn sich die Energie nicht entlädt?
Entlädt sich die Energie nicht durch Bewegung, bleibe ich in der Anspannung sozusagen stecken. Ich kann dann mittags einen Konflikt haben und am Abend schreie ich meine Kinder an, sie sollen nicht so laut sein. Ich bleibe gereizt, wütend, fühle mich ohnmächtig usw., auch wenn der Konflikt, der die Angst ausgelöst hat, schon lang vorbei ist.
Das heißt, nicht nur mein Körper, sondern auch meine Gefühle bleiben im Konflikt stecken. Und wie in Teil 1 dieses Beitrags gesehen, kann mich mein denkendes Gehirn nicht aus diesem Zustand befreien.
Alle Gefühle werden verkörpert. Das heißt, solange ich in der Anspannung bleibe, bleibe ich auch in der Angst. Und zwar genau in dem Gefühl, das ich gefühlt habe, als der Konflikt die Anspannung ausgelöst hat. Dieses Gefühl kann mich über Minuten, Stunden, Tage oder Wochen in meinem Körper gefangen halten.
Kann ich die Anspannungen nicht abbauen, werden sie zu Verspannungen. Und diese Verspannungen wiederum prägen meine Persönlichkeit und im wahrsten Sinne des Wortes die Haltung, mit der ich ins Leben gehe. Je mehr ohnmächtige Ängste ich in meinem Leben erlebt habe, umso angespannter und rigider werde ich und umso bedrohlicher empfinde ich subjektiv meine Umwelt.
Wie der Körper Verbindung verliert
Der Körper verliert Verbindung auf ganz ähnliche Weise wie das Gehirn. Fast der ganze Körper besteht aus Längsmuskeln. Und dann gibt es ein paar Teile, in denen es Quermuskeln gibt. Und die sperren Verbindung ab. Bei den Augen, Nacken und Kiefer, das Zwerchfell, im Beckenbereich.
So führt die Anspannung und Verspannung dazu, dass wir uns von unseren Gefühlen und von unserem Spüren (den Instinkten) abschneiden. Es gibt die weise Formulierung, "ich spüre mich nicht mehr." So wie der Körper im Kampf & Fluchtmodus schmerzunempfindlicher wird, spalte ich mich in meinem Körper von Gefühlen ab. Der Selbstverlust, den ich in Teil 1 dieses Beitrags geschrieben habe, manifestiert sich in einem angespannten Körper so, wie auf der folgenden Zeichnung zu sehen.
Hier bildet sich das gleiche Muster ab, wie im Gehirn. Der Kopf entspricht dem denkenden Gehirn, der Bauchbereich den Gefühlen und der Beckenbereich den Instinkten. Durch die Quermuskeln verliert der Körper seine Durchlässigkeit und die Verbindung zwischen den einzelnen Körperteilen. Die Muskeln verlieren biologisch die Fähigkeit, sich zu entspannen. So bleibe ich permanent in Angst und Stress gefangen. Mein Körper wird zu einem Gefängnis.
Bin ich durch Anspannung und Verspannungen von meinen Instinkten und Emotionen getrennt, komme ich aus Gedankenschleifen und Grübeln nicht mehr raus. Es wird immer schwieriger, Entscheidungen zu treffen, da ich für Entscheidungen, die mit mir in Einklang sein sollen, meine Instinkte und Emotionen brauche. Mein Körper wird mein Gefängnis und schneidet mich permanent von vielen Gefühlen und ihren Perspektiven ab.
In diesem Zustand gehe ich immer wieder über meine Grenze und verlerne, mich nachhaltig zu beruhigen und zu entspannen.
Wie der Körper Verbindung wieder findet
Diese Frage ist je nach Tiefe der Angsterfahrung und Anspannung unterschiedlich zu beantworten. Bei manchen ist Yoga eine gute Hilfe, Anspannungen zu lösen und in eine andere Haltung zu finden. Ich habe über die Jahre auch gute Erfahrungen mit Körperarbeit wie Grinberg, Feldenkrais und biodynamischer Craniosakraltherapie gemacht. Alle drei berühren in meiner Erfahrung die Ursache der Anspannungen und lösen nicht nur die Symptome.
Wenn ich den Einklang mit mir verloren habe und in Angstmustern stecke, gibt es für mich heute nur den Weg über den Körper, um wieder gut zu mir zu kommen. Über den Kopf und Rationalität lassen sich diese Dinge nicht lösen. Die "Lösung" besteht auf der Ebene darin, dass sich die Muskeln tatsächlich wieder "lösen" und tief entspannen können.
Und wie in Teil 1 kann ich auch hier wieder den sogenannten MBSR Workshop aus der Achtsamkeit empfehlen, der nicht umsonst einen so großen Anteil an Körperbewusstsein hat und der gleichzeitig über achtsame Meditation in die Kongruenz des Gehirns eingreift.
Übung:
Die Übung für diese Woche ist, den Fokus auf dem Zusammenhang zwischen Angst, Anspannung und Gefühlen zu halten.
Wenn du siehst, wie eng die drei miteinander verknüpft sind, wirst du für dich vielleicht Wege finden, die dich wieder in einen Beruhigungsmodus führen, in dem wirkliche tiefe körperliche und emotionale Entspannung möglich sind. Körperliche Entspannung ist ident mit emotionaler Entspannung und umgekehrt. Ich kann immer von beiden Seiten ansetzen - die andere Seite geht automatisch mit.
Wenn dir das gerade nicht so leicht gelingt, hast du vielleicht Interesse, dir etwas zu den oben genannten Methoden anzuschauen, die dir helfen wieder gut mit dir in Einklang zu kommen.
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