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Hinter jeder Kritik steht ein Bedürfnis

Achtsame Kommunikation ist für mich in den letzten Jahren sehr wichtig geworden. Dabei steht die Frage im Vordergrund: Wie kann ich Kommunikation ganz bewusst so nutzen, dass ich mich selbst verstehe und mich dann auch für andere sichtbar machen? Denn nur so führt Kommunikation zu gegenseitigem Verständnis und daher in Beziehung.

Hinter jeder Kritik steht ein Bedürfnis I Achtsamkeit Blog

Kritik wird in vielen Beziehungen schnell zu einem alltäglichen Übel, das leider nie zu einem befriedigendem Ergebnis führt. Wer viel kritisiert, stellt schnell fest, dass er im Gegenüber damit nur Widerstand auslöst und letztlich immer wieder ignoriert wird.


Bin ich mal drin in der Gewohnheit des Kritisierens und komme damit nicht zum Ziel, dann finde ich in der Regel genau eine Strategie, wie ich doch noch zum Erfolg finden möchte. Ich muss mehr, öfter und eindringlicher kritisieren, um mir Gehör zu verschaffen.


Doch das Ergebnis ist, dass ich nur noch mehr ignoriert werde. Und genau das empfinde ich dann als sehr verletzend, bin enttäuscht von meinem Gegenüber. Ich fühle mich nicht gesehen, nicht wertgeschätzt und in der Beziehung letztlich allein.


Doch dabei ist mir nicht bewusst, dass ich in der Kritik meine Bedürfnisse nicht zeige und sie mein Gegenüber auch nicht erkennen kann. Mir ist nicht bewusst, dass ich mich, wenn ich den anderen kritisiere, selber unsichtbar mache.


Was löst Kritik im Gegenüber aus?


Kritik heißt, ich sage dem anderen, was ich an dem, was er tut, "falsch" finde und was er zu tun hat, um es "richtig" zu machen. Doch damit sende ich gleichzeitig die Botschaft "so wie du bist, bist du falsch. Ich weiß, wie es geht." In dieser Form der Kommunikation blende ich mein Gegenüber mit seinem Blick auf die Welt sozusagen aus.


Daher wird Kritik schnell als Zwang empfunden, anders zu sein, als man ist. So ist Kritik am anderen immer verbunden mit Abwertung und Urteil gegenüber dem anderen, der etwas nicht tut, obwohl "ich das will".


Kein Wunder also, wenn diese Art der Kommunikation dazu führt, dass andere von mir abrücken und den Kontakt zu mir meiden. Denn das Gefühl, das durch Kritik entsteht, ist: "Ich kann es ja sowieso nicht richtig machen".


Kritisiere ich viel, stelle ich immer wieder fest, dass andere kein Verständnis für mich heben und ich finde kein Verständnis für das Verhalten anderer. Und wo kein Verständnis entsteht, geht Beziehung verloren. Man weicht einander aus.


Und genau dieses Ausweichen führt wiederum dazu, dass sich der Kreislauf von Kritik und sich der Kritik entziehen, verstärkt.


Bewusst mit dem eigenen Bedürfnis umgehen


In der Kritik "glaube ich", dass ich mein Bedürfnis zeige. Das ist mein subjektives Gefühl. Es fällt mir nicht auf, dass ich dem anderen nur sage, was er zu tun hat, weil ich es für richtig halte.


So ist mein Fokus nicht bei mir, sondern beim anderen. Und der Fokus meines Gegenübers ist auch gleich bei ihm selbst und er wird versuchen, sich zu verteidigen, zu rechtfertigen oder mir auszuweichen.


In der Kritik rede ich immer über eine Sache, einen Vorgang, eine Handlung, aber ich rede nie von mir, meinen Gefühlen und meinen Bedürfnissen. Ohne es zu merken, mache ich mich auf diese Weise unsichtbar.


Dabei wäre es so gut, wenn ich mein eigenes Bedürfnis in den Mittelpunkt stellen könnte. Denn damit würde ich für mein Gegenüber auch sichtbar werden.


Wo übe ich eigentlich Kritik? Was ist mein Bedürfnis?


Die Einladung, die ich hier ausspreche, ist, mir zuerst mal bewusst zu werden, wo ich Kritik übe. Es kann auch hilfreich sein, meinen Partner, meine Partnerin, meine Freunde zu fragen, wie sie das empfinden. Denn dass man andere kritisiert, kann tatsächlich leicht ein blinder Fleck sein.


Interessant ist dann als zweiter Schritt, an diesen Stellen innezuhalten und ganz bewusst zu schauen: Wenn ich Kritik über - "Was sind gerade meine Gefühle? Was ist eigentlich mein Bedürfnis? Warum ist mir das wichtig?"


Wenn ich mir diese Fragen stelle, dann werden mir diese Dinge auch bewusst. Diese Selbsterkenntnis ist ganz zentral wichtig. Denn sie ist der Schlüssel dazu, dass ich sichtbar werde. Erst wenn ich für mich selber sichtbar werde, habe ich auch die Möglichkeit, mich für mein Gegenüber sichtbar zu machen.


Eine Bitte an den anderen statt Kritik


Ist mir bewusst, warum mir eine Sache wichtig ist und am Herzen liegt, wird es möglich, diese Dinge auch auszusprechen und sie mit einer Bitte zu verbinden, statt mit Kritik an meinem Gegenüber.


Auf diese Weise bleibt meine Aufmerksamkeit bei meinem Bedürfnis und die Aufmerksamkeit meines Gegenübers ist ebenfalls bei mir. So werde ich sichtbar und mein Gegenüber fühlt sich nicht von mir gezwungen.


Genau diese Ausgangslage führt dazu, dass gegenseitiges Verständnis möglich wird.


Das Gegenüber ist nie verpflichtet, mein Bedürfnis zu erfüllen. Aber die Chance, dass es erfüllt wird, wächst enorm. Sollte das Gegenüber das Bedürfnis in dem Moment nicht erfüllen können oder wollen, gilt der gleiche Grundsatz in der Kommunikation wie vorher.


Auch das Gegenüber bringt am besten ein, was gerade seine Gefühle sind, was gerade für ihn wichtig ist, was sein Bedürfnis ist. Dass beide Bedürfnisse nebeneinander stehen dürfen und "beide richtig" sein dürfen, ist einer der wichtigsten Schlüssel für gelingende Beziehungen.


Stehen beide Bedürfnisse nebeneinander, kann man schauen - was machen "wir" jetzt damit.


Diese Form in Beziehung zu gehen, ist das Gegenkonzept zum Machtkampf "ich will es so" und der andere sagt, "ich will es aber anders."


Mich mit meinen Bedürfnissen und meinen Gefühlen zu zeigen und meinen Wunsch als Bitte auszusprechen, ist ein guter Weg, um dem Kreislauf von Kritik und Widerstand, zu entkommen.


Wenn es gelingt, komme ich raus aus einem trennenden Kreislauf, bei dem sich beide allein und nicht gesehen fühlen in einen verbindenden Kreislauf, in dem die Bedürfnisse beider sein dürfen.

 

Übung:


Die Übung ist dieses Mal schon im Text enthalten.


1) Mir bewusst werden, wo ich Kritik übe. Es ist gut, sich allein für diesen Schritt schon mal Zeit zu nehmen und andere einzubinden. Sie zu fragen, ob sie sich von mir kritisiert vorkommen, um in eine gute Selbstreflexion zu kommen.


Ich finde es immer gut, sich für so eine Beobachtung mal eine Woche zu nehmen, ohne am Verhalten selber noch etwas zu ändern.


2) Sich der eigenen Bedürfnisse und dem, was mir wichtig ist, bewusst werden. Auch das ist in sich ein Prozess, den ich gut mal eine Woche erforschen kann, um sich ganz bewusst daran zu gewöhnen, diesen Aspekt überhaupt in den Blick zu nehmen. Dabei stellst du vielleicht fest, dass du mit deinen Bedürfnissen nicht nur für andere unsichtbar bist, sondern dass du in den gleichen Punkten oft auch für dich selber unsichtbar bist.


3) Die Kritik durch einen Wunsch, eine Bitte ersetzen und das eigene Bedürfnis, das dem Wunsch zugrunde liegt, aussprechen und mich darin auch zeigen. Das braucht oft Mut, aber es ist das Einzige, was in Beziehung und Sichtbarkeit führt.


Zum Ende dieses Beitrags noch eine kleine Anmerkung: Bin ich oft Opfer von Kritik, kann ich diese Erkenntnis auch für mich nutzen. Statt in Widerstand zu gehen, kann ich mein Gegenüber bitten, mir zu sagen, was eigentlich sein Bedürfnis ist, warum ihm das wichtig ist.


Damit eröffne ich ebenfalls eine gute und verbindende Kommunikation.





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