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Emotionale und existenzielle Unabhängigkeit

Augenhöhe in Partnerschaften ist wichtig - und das aus gutem Grund. Denn Augenhöhe ist ein wirklich treffender Begriff, der Gleichwertigkeit und gegenseitige Achtung umfasst. Niemand fühlt sich größer oder kleiner als der andere. Gelebte Augenhöhe führt in Beziehungen, die wenig Konflikte haben. Und diese Beziehungen haben alle etwas gemein. Es gibt keine grundsätzlichen Abhängigkeiten.


Emotionale und existenzielle Unabhängigkeit I Achtsamkeit Blog

Emotionale und existenzielle Unabhängigkeit beider Partner ist eine Grundbedingung für Augenhöhe.


Wenn ich auf das obige Bild schaue, dann symbolisiert es für mich, dass die Beziehungen auf Augenhöhe sind, in denen sich jeder Partner existenziell und emotional selbst Halt geben kann und diesen Halt nicht beim Partner sucht.


Existenzielle Unabhängigkeit


Wenn beide Partner für sich existenziell sorgen können, ist niemand für sein Überleben vom anderen abhängig und keiner kommt in die Versuchung, mehr zu geben, als der andere oder sich für die existenzielle Absicherung des anderen verantwortlich zu fühlen.


Warum ist das wichtig? In dem Moment, wo zwischen 2 eigenverantwortlichen Erwachsenen Abhängigkeit entsteht, wird einer groß und der andere klein. Der, der nimmt, möchte das gerne ausgleichen. Aber wenn das nicht geht, entsteht schnell ein Gefühl von Schuld und schlechtem Gewissen.


Es ist auch nicht so leicht, die volle Achtung aufrecht zu halten, wenn ich meinen Partner oder meine Partnerin grundsätzlich existenziell unterstütze. Es gibt dann gefühlt einen starken und einen schwachen Partner. Dabei kann ein Gefühl aufkommen, dass der eine der Vater oder die Mutter ist und der andere das Kind. Werden dadurch Kindergefühle geweckt, findet man sich schnell in einer Dynamik wieder, die man schon als Kind mit den Eltern erlebt hat. Und ehe man sich's versieht, wirkt der Partner ganz genauso wie der eigene Vater oder die eigene Mutter.


Der, der mehr gibt, kann sich in der Situation leicht für den anderen und seine Bedürfnisse verantwortlich fühlen, was dazu führen kann, dass der, der mehr nimmt, nicht in seine Eigenverantwortlichkeit zurückfindet. Wer längere Zeit nicht in die eigene Verantwortung geht, begegnet leicht Ängsten, denen er sich nicht stellen möchte. Das nagt wiederum am eigenen Selbstwert.


Das hier beschriebene gilt überall dort, wo existenzielle Abhängigkeit eine tiefere Dynamik in der Beziehung darstellt. Gehen etwa beide arbeiten und haben einen Gehaltsunterschied, weil ein Beruf besser bezahlt wird, ist es für mich klar, dass der Haushalt anteilig bestritten werden kann.


Wenn hingegen ein Partner grundsätzliche Ängste hat, sich wo zu bewerben, oder immer wieder Dinge abbricht, neue Ausbildungen anfängt, die er selbst nicht finanzieren kann, von Jobs überfordert ist, oder sich einfach nicht darum kümmert, überall dort geht die Augenhöhe in Beziehungen verloren. Und überall dort kommt man leicht in tiefe Konflikte.


Das ist der eine Aspekt. Was bedeutet in dem Zusammenhang emotionale Unabhängigkeit?


Emotionale Unabhängigkeit


Je mehr Menschen, Beziehungen, Tätigkeiten, ich in meinem Leben habe, die ich mit Freude erlebe, die ich als sinnvoll erlebe, umso emotional unabhängiger bin ich in meinem Leben. Und ganz einfach gesagt, umso lebendiger fühle ich mich.


Das Gegenteil davon ist demnach, niemanden zu haben, der mir nahe ist, mich nicht für Themen, Beschäftigungen, meine Arbeit zu interessieren oder mit ihnen in Konflikt zu sein. Das Gefühl zu haben, nirgends zugehörig zu sein. Mit mir selbst und der Welt nichts anfangen zu können. Vielleicht auch schnell ängstlich und überfordert zu sein.


Trifft jemand, der emotional unabhängig und lebendig ist, auf jemanden, der das nicht ist, entsteht, wie auch bei der existenziellen Abhängigkeit, ein Gefälle. Wer sich in seinem Leben nicht verbunden, zugehörig und lebendig fühlt, für den ist der Partner gefühlt sein ganzes Leben. Der oder die Partnerin kommt dann in den Druck, alle Bedürfnisse dieses Menschen zu erfüllen, immer für ihn, seine Bedürfnisse und die Zweierbeziehung da zu sein. In dem liegt das Missverständnis, dass mein Partner dafür da ist, meine emotionalen Bedürfnisse zu erfüllen. Weil es sonst nirgends gelingt. Und diesen Druck hält keine Beziehung aus.


Die emotional unabhängige Person fühlt sich dann leicht schuldig, wenn sie ihre eigene Lebendigkeit lebt und schränkt sich darin aus schlechtem Gewissen der Beziehung gegenüber ein. "Ich bin schuld, wenn es meinem Partner oder meiner Partnerin nicht gut geht. Ich bin verantwortlich dafür, dass es ihr / ihm wieder besser geht".


Auch hier gilt - wer in der Abhängigkeit ist, ist dafür verantwortlich, in seinem Leben selbst dafür zu sorgen, dass er sich lebendig fühlt. Das ist der einzige Weg, um Augenhöhe herzustellen. Denn jeder Erwachsene ist per Definition für sich selbst verantwortlich. Und nur wenn er diese Verantwortung wahrnimmt, hat ein Mensch Selbstwert und ein Gefühl von eigener Würde. Daher ist es auch so wichtig, einem Partner die Eigenverantwortung zuzumuten. Gerade dann, wenn er sich schwer damit tut.


So kann auch auf der emotionalen Ebene eine Co-Abhängigkeit entstehen. Dass der andere immer für mich und meine Bedürfnisse da ist, ist wiederum ein kindlicher Wunsch, den Kinder gegenüber ihren Eltern haben. IN einer Zeit, in der sie nicht eigenverantwortlich sein könne. Wurde der Wunsch da nicht erfüllt, möchte ich das sozusagen in der Partnerschaft nachholen, verliere dabei aber meine erwachsene Identität.


So wird auch auf der emotionalen Seite ein Partner groß, der andere klein. Das gleiche Muster wie bei der existenziellen Abhängigkeit. Dem anderen in der ständigen Überforderung zu helfen, oder immer da zu sein, weil der andere sonst alleine ist, das überfordert den Partner. Denn er kann das nur auf Kosten seiner eigenen Lebendigkeit machen.


Auch hier sind tiefe Konflikte unvermeidlich.


Wie schon oben möchte ich auch hier relativieren und sagen, dass es absolut okay ist, in einer längeren Beziehung mal durchzuhängen, mal nicht emotional belastbar zu sein, eine schwierige Zeit zu haben, in der man überfordert, gestresst, nicht bei sich, nicht lebendig ist. Eine gute Beziehung kann das tragen. Auch in dem Wissen, dass es dem anderen früher oder später auch so geht. Und in der Zeit ist es gut, dem anderen Halt zu geben, für ihn und seine Bedürfnisse da zu sein. Aber nach einer Krise kehrt diese Beziehung wieder zurück in die ursprüngliche Dynamik, in der beide Partner ihre von der Beziehung unabhängige Lebendigkeit haben und auf ihren eigenen Beinen stehen, auch wenn sie nicht gestützt werden.


Es geht also auch hier um eine Grunddynamik, die ab Anfang der Beziehung ausgeprägt ist und sich im Laufe der Beziehung nicht ändert. Jemand ist "grundsätzlich" leicht überfordert und bittet den anderen um Hilfe, statt selbst zu wachsen, jemand hatte "niemanden" außer dem Partner und das ist nach Jahren der Partnerschaft noch immer so. Jemand weiß mit sich nichts anzufangen, und der Partner muss alles mit diesem Menschen machen, damit er sich wohlfühlt, .....


Erwachsen sein = für mich selbst verantwortlich sein


Erwachsen sein bedeutet, dass beide Partner sich für ihre eigene emotionale und existenzielle Unabhängigkeit verantwortlich fühlen und das Selbstbewusstsein haben, sie auch aus sich heraus herzustellen.


Wenn diese Haltung die Beziehung bestimmt, bleiben beide Partner in ihrem erwachsenen Selbst. So entstehen keine Abhängigkeiten, die unvermeidlich zu Konflikten führen. Beide sind groß und stellen an den Partner keinen Anspruch, Verantwortung für sie zu übernehmen.



Übung:


Schau darauf, wie du in deiner Beziehung diese beiden Themen erlebst und wie sie auf die Beziehung wirken.


Ausgleich kann eine Beziehung nur dort finden, wo beide Partner ihren Teil der Verantwortung für sich übernehmen. Das ist keine einfache Aufgabe, wenn etwas aus dem Gleichgewicht ist. Aber es ist gut, sich mit dieser Realität zu konfrontieren, wenn du in eine Beziehung auf Augenhöhe zurückfinden möchtest.


Gehe diese Aufgabe Schritt für Schritt an, vielleicht mit Unterstützung und Hilfe von außen, wenn du das Gefühl hast, dass der Weg verstellt ist. Es lohnt sich für deine Beziehung zu dir selbst und für die Qualität der Beziehung, die du zu deinem Partner oder deiner Partnerin hast.

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