Don't let your dreams ruin your life heißt ein Vortrag von Cheryl Strayed. Darin berichtet die Autorin davon, welche riesigen Träume sie ihr ganzes Leben mit sich herumgetragen hat - und wie besonders ihr Leben in diesen Träumen war.
Doch irgendwann hat sie sich eingestanden, daß sie selber vielleicht gar nicht so besonders ist. Immer zu glauben, sie könnte es vielleicht werden hat dazu geführt, daß sie ständig in Konflikt mit sich selber war. Die wirkliche Cheryl war im Vergleich zur Cheryl ihrer Träume ein Niemand. Und diese Diskrepanz hat sie über Jahre ohnmächtig gemacht.
Als sie sich das eingestanden hat, hat sich ihr Leben geändert. Aus der Frau, die ihrem eigenen Leben ohnmächtig gegenüber stand, weil sie ein Bild von sich nicht erfüllen konnte, wurde eine Frau, die sich damit beschäftigt was sie tatsächlich kann, worin sie gut ist, und was in ihrer Macht steht. So hat sie zu sich selbst zurückgefunden und hat begonnen wieder ihr eigenes Leben zu leben.
Durchschnitt
Wer lebt schon gern ein durchschnittliches Leben? Wer schaut gern durchschnittlich aus? Wer hat gern einen durchschnittlichen Partner, einen durchschnittlichen Job, und kommt gerade aus einem durchschnittlichen Urlaub.
Durchschnitt klingt nicht besonders sexy und irgendwie haben wir alle das Gefühl, wir müßten uns vom Durchschnitt abheben. Etwas oder jemand Besonderes sein. Sonst haben wir manchmal das Gefühl vielleicht gar nicht zu existieren.
Doch die Statistik sagt hier etwas ganz eindeutiges: Wir sind einfach Durchschnitt. Das ist die Wirklichkeit unseres Lebens. Durchschnitt. Über 90% der Menschen sind in allem was sie machen ganz durchschnittlich. Es geht ja auch rein mathematisch nicht anders. Wenn jetzt alle auf einmal Besonderer werden ist das ja schon wieder der neue Durchschnitt.
In Einklang kommen
Auf der Jagd nach dem Besonderen findet man nicht das Besondere und man verliert sich dabei selbst. Wenn man sich zugestehen kann, einfach ganz durchschnittlich zu sein - so wie alle anderen auch - dann entspannt das schon mal, und es verbindet uns mit anderen. Denn es verbindet uns "alle", daß wir durchschnittlich sind. Niemand von uns ist perfekt. Vielleicht hat der eine oder andere von uns irgendwo besondere Fähigkeiten erlangt. Aber so als ganzer Mensch ist er deswegen trotzdem durchschnittlich - und das ist absolut okay so - denn es geht gar nicht anders.
In Einklang damit zu kommen, daß wir alle durchschnittlich sind heißt für mich mit der Wirklichkeit in Einklang zu kommen. Wo immer uns das gelingt, passiert Lösung.
Es heißt für mich auch anzuerkennen, wer wir sind. Statt immer zu glauben, wir müßten erst jemand anderer werden um liebenswert zu sein und dazu gehören zu dürfen, können wir einfach so sein wie wir sind.
Es heißt für mich auch, uns in unserer Durchschnittlichkeit als liebenswert zu begreifen. Dazu gehört für mich auch zu sehen, wie es uns selber mit den Menschen geht, die immer glauben etwas Besonderes sein zu müssen. Wir finden das nicht besonders sympathisch. Es hat oft nichts Verbindendes mit so einem Menschen am Tisch zu sitzen, sondern eher etwas Beschämendes. Und irgendwie gibt es auch tief in uns ein Gefühl, daß der Mensch nicht die "ganze" Wahrheit über sich zeigt.
Wenn wir unseren Selbstwert davon abhängig machen selber etwas Besonderes darzustellen geht es uns nicht gut. Wenn wir auf diesen Zusammenhang verzichten können, wartet ein schöneres Leben auf uns.
Perfektionismus
Der Perfektionismus ist eine Untergattung des Drangs zum Besonderen. Er ist mit dem Gefühl verbunden, daß etwas Schlimmes passiert, wenn man nicht etwas ganze Besonderes darstellt - oder etwas ganz besonders toll macht.
Dort wo es einem ganz besonders wichtig ist, da schnappt die Perfektionismusfalle gerne ganz heftig zu. Zum Beispiel in der Kindererziehung. Vor lauter richtig machen wollen verkrampft man sich schon so, daß man beginnt alles falsch zu machen. Denn man ist so viel damit in Kontakt etwas richtig machen zu wollen, daß man mit dem Kind selber und seinen Bedürfnissen gar nicht mehr in Kontakt kommt.
Gut genug
Der britische Psychoanalyst Donald Winnicott hat in den 50er Jahren in England viel mit Eltern gearbeitet, die frustriert darüber waren, daß sie in der Erziehung ihrer Kinder so weit hinter ihren Idealen zurückblieben.
Winnicott hat damals die "good enough parent" Methode entwickelt: Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Sie brauchen "okay Eltern", die ihre Sache ganz gut machen, die in der Regel dem Kind gegenüber gute Absichten haben, und die generell - wenn auch nicht immer herzlich und vernünftig sind.
Das kam aus Winnicots Überzeugung, daß Eltern nur dann gute Eltern sind, wenn sie mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten entspannt umgehen können, und die sich nicht dafür foltern etwas zu sein was kein normaler Mensch sein kann - nämlich perfekt.
Eltern die Kindern vorleben können daß es absolut normal ist, daß man auch mal Fehler macht, zeigen ihren Kindern damit daß es okay ist zu sein wie sie sind.
Eltern, die von sich selbst das Bild haben "gut genug" zu sein haben Kinder die das von sich auch glauben. Daher müssen diese Kinder nicht das Gefühl kriegen sie müßten etwas Besonderes sein, nur um geliebt zu werden. Sie können das Privileg genießen ganz einfach ganz normal zu sein.
Übung & Meditation
Jemand anderer sein zu wollen als man ist, ist immer mit Anspannung und Angst verbunden. Entspannung ist, zu sein wer man ist.
Dazu stehen zu können wer man ist entspannt einen nicht nur selber, sondern auch die Menschen die einem begegnen.
Ultimativ kann man nur man selber sein. Alle anderen sind schon vergeben. Nur in der Zustimmung zu dieser Wirklichkeit kann etwas Paradoxes entstehen - nämlich daß man über sich hinaus wächst.
Die Übung zu diesem Eintrag besteht darin in sich hinein zu spüren und für sich ins Tagebuch zu notieren, wo im eigenen Leben die Lücke zwischen dem wer man ist und dem wer man gerne wäre so groß ist, daß man sich dabei verspannt.
Überall dort, wo du dich im Anspruch wer anderer sein zu wollen verspannst, bist du nicht mehr in Beziehung mit dir selbst.
In der Erfüllung eines großen Traums oder Ziels suche dir einen nächsten Schritt, den du neugierig und entspannt gehen kannst, und behalte das große Ziel dahinter nur unscharf im Auge. So kann deine Identität Schritt für Schritt mit den Aufgaben wachsen, statt vom Anspruch erschlagen zu werden.
Ein Eintrag mit Übung, der mit diesem Thema verwandt ist, ist der Eintrag "Ein Weg entsteht, indem man in geht".
Für heute möchte ich mit einem Zitat enden, das mir immer ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Und wenn man lächelt heißt das gemeinhin, daß das Herz zustimmt:
"Stell dir vor du bist schon lange gut, so wie du bist, und merkst es nicht"
Dieses Zitat kannst du auch gerne als Einstimmung in eine Meditation mit nehmen. Denn es bringt dich mit einer wichtigen inneren Wirklichkeit in Kontakt - mit deiner eigenen Lebendigkeit.
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