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Distanz schafft Klarheit

Distanz schafft Klarheit, ist ein Satz, der in letzter Zeit immer wieder in mir aufgetaucht ist. Also eine gute Gelegenheit zu schauen, warum das so ist.


Distanz schafft Klarheit I Achtsamkeit Blog

Alles, was mir Angst macht, mich belastet, mich überfordert, mit dem ich in Konflikt bin, führt zu Anspannung im Körper. Diese körperliche Verengung führt wiederum zu einer emotionalen Verengung. Je angespannter ich bin, umso mehr Gefühle kann ich nicht mehr verkörpern. Und damit verliere ich mich ein Stück, verliere Übersicht und kann eine Situation nicht mehr so ausgewogen beurteilen. Je stärker die Anspannung, umso stärker ist dieser Effekt.


Bei starker Anspannung führt das dazu, dass nicht ich ein Gefühl habe, sondern das Gefühl hat mich. Ich stecke in einem Gefühl fest. Dieses Gefühl kennt nur seine Perspektive, die Welt wird schwarz / weiß, ist bedrohlich und ich komme aus dem Gefühl nicht mehr raus. Alles, was mich dann bedroht, scheint übermächtig und ich fühle mich ohnmächtig.


Was da passiert, ist, dass ich durch die Anspannung meinen Raum verliere, weil Energie in meinem Körper nicht gut fließen kann. Damit verliere ich auch meine natürliche Grenze und die Fähigkeit, mit mir selbst und anderen gut in Beziehung zu sein.


Was macht die Distanz?


Je weiter ich von dem weg bin, was mir Angst macht, umso mehr kann mein Körper wieder entspannen. Alles wird weiter im Körper und weicher. Damit stellen sich mein Raum und meine natürliche Grenze wieder her. Ich komme zu mir. Wenn ich meinen Raum wieder habe, muss ich mich nicht abgrenzen von anderen, sondern kann zu mir und meinen Bedürfnissen stehen, ohne die Beziehung zu anderen zu unterbrechen.


Woher kommt dieses andere subjektive Empfinden? Es kommt daher, dass mit der Entspannung auch meine Gefühle wieder auftauchen. Ich kann die Situation, die mich in Anspannung versetzt hat, dann auf einmal aus verschiedenen Perspektiven betrachten und sehe mehr vom Ganzen.  


Diese Perspektiven entstehen durch meine Gefühle. Jedes Gefühl hat eine eigene Perspektive - eine eigene Realitätswahrnehmung. Kann ich eine Situation flexibel aus mehreren Gefühlen betrachten und mich vielleicht auch noch in die Gefühle meines Gegenübers versetzen, ohne, dass es mir Angst macht, dann habe ich die beste Basis dafür, in der Situation eine gute Lösung zu finden, die für alle passt. Ich bin wieder fähig, mit meinem Gegenüber mitzufühlen. Auch diese Fähigkeit geht verloren, wenn ich angespannt bin.


Je mehr ich zu mir komme und entspanne, umso besser kann ich auf stressige Situationen reagieren, ohne in Konflikt mit mir und anderen zu sein. Und ohne Beziehung zu unterbrechen.


Wann brauche ich wie viel Distanz?


Je weniger Grundanspannung ich in meinem Körper habe, umso schneller bin ich bei Stress wieder gut bei mir. Je mehr Grundanspannung in meinem Körper habe, umso schwieriger ist es, wieder Entspannung und Halt in mir zu finden. Wenn ich merke, dass ich mich nicht mehr spüre, nicht mehr weiß, wer ich bin, weil ich mir im Stress gar nicht mehr begegne, dass ich nur noch funktioniere und in Ruhemomenten ein ständiges Gedankenkarussell in meinem Kopf ist, dann brauche ich deutlich mehr Distanz zu dem, was mich stresst. Denn mein Körper braucht dann wesentlich länger, um sich wieder entspannen zu können.


Bei permanent hoher Anspannung bin ich ständig in Konflikt mit mir und anderen. Das macht mich reaktiv. Ich handle dann nur aus der engen Emotionalität heraus. So treffe ich nie gute Entscheidungen für mich und andere. Und die Konflikte nehmen durch die Reaktivität immer mehr zu. Daher braucht es in so einem Zustand oft radikale Distanzierung, damit es zur Deeskalation kommt.


Wenn sich mein Leben so anfühlt, ist es oft gut, Hilfe in Anspruch zu nehmen, um überhaupt wieder Orientierung zu bekommen, wie ich aus der Sache wieder heraus finde.


Tägliches Bewusstsein


Daher gilt - so wie ich täglich Zähne putze, wäre es auch gut, täglich darauf zu achten, dass ich Zeit für mich habe, mir begegnen kann. Regenerieren und mich entspannen kann. Und wenn das mal ein paar Tage nicht geht - dann ist es gut, wenn ich mir zum Ausgleich einen oder zwei Tage wirkliche Auszeit nehmen kann. Wenn ich mal vier Wochen nicht zu mir komme, dann ist es gut, wenn ich mir ein paar Tage Auszeit nehmen kann. Einfach, damit mein Körper wieder entspannen kann.


Oder anders gesagt, damit ich mich selbst nicht verliere.


Aus meiner Sicht ist das mit die größte Verantwortung, die jeder erwachsene Mensch für sich hat. Werde ich dieser Verantwortung gerecht, hat das nichts mit Egoismus zu tun. Meinen Raum wieder herzustellen, dient allen meinen Beziehungen. In der Arbeit und privat.


So ist diese Verantwortung mir gegenüber gleichzeitig die Verantwortung anderen gegenüber.



Übung:


Schaue, wo du in deinem Leben derzeit Distanz brauchst, um auf Überforderungen und Ängste zu reagieren - dich selbst und die Situationen zu beruhigen. Diese Zeit ist immer gut investiert. Auch wenn es im Stress so wirkt, als würde das jetzt überhaupt nicht möglich sein.


Wenn du wieder zu dir kommst, kannst du die gleichen Aufgaben mit einem Minimum an Energie bewältigen. Es sind oft nicht die Aufgaben, die so groß sind. Es ist unser Zustand, der sie so groß erscheinen läßt.



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