Überall dort wo "ich mir selbst" die Anerkennung nicht geben kann, daß ich so wie ich bin genüge und liebenswert bin, werde ich abhängig von der Anerkennung, die ich von außen bekomme.
Unsere Persönlichkeit entsteht durch unser Gegenüber
Wenn unsere Bedürfnisse so wie wir sie als Kind geäußert haben nicht sein durften, kommen wir unweigerlich zu dem Schluß, daß etwas mit uns nicht stimmt. Wir empfinden uns dann nicht als liebenswert. Unser Selbstwertgefühl wird dann davon abhängig inwieweit wir von außen Anerkennung bekommen.
Als Kinder verinnerlichen wir wie unsere Eltern uns sehen und behandeln. Wie sie uns sehen bestimmt darüber welche Teile in uns wir annehmen können. Mit diesen Teilen können wir uns zeigen. Die Teile von uns die abgewertet werden, verstecken wir.
Pubertät
In der Pubertät werden wir von der Wahrnehmung unserer Eltern unabhängiger. Der Kreis der Menschen, mit denen wir uns austauschen wächst und wir lernen uns durch die Augen unserer neuen Beziehungen neu kennen. In diesen Beziehungen erleben wir, daß Eigenschaften und Bedürfnisse von uns doch okay sein können. Und das ermutigt uns im besten Fall im Angesicht unserer Eltern zu unseren Bedürfnissen und zu unserer Wahrnehmung zu stehen - was in der Pubertät naturgemäß oft zu Konflikten mit den Eltern führt.
Erwachsen sein
Erwachsen werden heißt in dem Sinne nichts anderes, als daß es uns gelingt im Angesicht unserer Eltern bei unserer Wahrnehmung zu bleiben und zu unseren Bedürfnissen zu stehen. Wenn das gelingt werden wir uns unserer selbst sicher. Wir bekommen eine Sicherheit darüber wer wir sind und daß wir so wie wir sind, wertvoll sind. Auf diesem Weg werden wir unabhängig vom Urteil unserer Eltern und vom Urteil anderer.
Partnerschaft und Anerkennung
Wo es in Kindheit und Jugend nicht möglich ist ein stabiles, in sich selbst ruhendes Selbst aufzubauen - voll und ganz zu sich selbst zu stehen - sind wir uns als Erwachsene "unserer Selbst nicht sicher". Teile von uns bleiben dann immer kindlich und damit abhängig von der Bewertung und Anerkennung anderer. Wenn wir durch unseren Partner oder auch im Beruf durch Vorgesetzte und Kollegen Anerkennung bekommen, geht es uns gut. Wenn wir sie nicht bekommen, leiden wir.
Wir orientieren uns dann mehr daran wie uns andere sehen, als daran wie wir uns selber empfinden. Unsere Persönlichkeit ist dort labil, wo wir unsere Selbsteinschätzung sozusagen an andere auslagern.
Stabile Persönlichkeit - mich zeigen wie ich bin
Erst wenn "ich mir selbst" die Anerkennung geben kann, daß ich so wie ich bin genüge und liebenswert bin, werde ich in der Partnerschaft zu einem echten Gegenüber. Ich brauche die Anerkennung dann nicht mehr vom anderen. Wenn das gelingt werde ich "unabhängig" und kann mich gleichzeitig meinem Partner zuwenden. Es entsteht Autonomie durch meine eigene Integrität und die Bedürftigkeit gegenüber dem Partner wird kleiner.
Gleichzeitig mache ich meinen Partner dann nicht mehr so leicht verantwortlich für meine Gefühle, was in vielen Partnerschaften eine große Konfliktquelle ist.
Wenn alles was sich in mir zeigt zu mir gehören darf, lerne ich auch Stück für Stück mich so zu zeigen wie ich bin.
Sich anderen so zu zeigen wie man wirklich ist - diese Vorstellung ist mit vielen Ängsten verbunden. Und es geht auch nicht ohne Risiko. Ich kann nicht erwarten, daß der andere es immer toll findet, was er sieht. Mich zu zeigen wird auch mitunter zu Konflikten führen. Aber das ist der Preis den ich zahlen muß um sichtbar zu sein.
Erst durch den Mut uns wieder so zeigen zu können wie wir sind, können wir wirklich in Beziehung kommen. Denn nur dadurch werden wir sichtbar und ein echtes Gegenüber für unseren Partner.
Siehe dazu auch den Eintrag "Der Preis dafür zu mir zu stehen".
Anspruch und Wirklichkeit
Man kann an sich selbst nicht den Anspruch stellen voll und allen Teilen seiner Persönlichkeit erwachsen zu sein. Erwachsenwerdens ist eine lebenslange Übung.
Man wird nie Perfektion erreichen, aber es lohnt sich in Beziehung mit sich selbst zu gehen und sich dadurch Stück für Stück aus der Abhängigkeit von Anerkennung heraus zu bewegen.
Wenn es mir gelingt mich zu zeigen wie ich bin, entsteht ein Gleichgewicht aus Autonomie und Zugehörigkeit. Beides darf dann gleichzeitig sein. Indem ich mir selbst zugehörig werden, indem ich mich selbst so sein lassen kann wie ich bin, werde ich auch im außen zugehörig.
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