"Im Augenblick sein" gehört ja zu den Grundbegriffen der Achtsamkeit. Präsent sein. Anwesend sein statt abwesend.
Lange war mir etwas unklar dabei - bis ich vor kurzem eine Beobachtung gemacht habe, die für mich wichtig war.
Die Beobachtung kommt am Ende dieses Eintrags. vorher möchte ich ein paar grundsätzliche Worte zu dem Thema schreiben - eben weil es so zentral ist in der Achtsamkeit.
Wenn wir nicht im Augenblick sind, dann stellt sich die einfache Frage: Wo sind wir, wenn wir abwesend sind?
Zukunft und Vergangenheit
Unsere Gefühle und Gedanken beschäftigen sich oft noch mit dem was war und mit dem was uns bevor steht.
Prinzipiell ist das wunderbar. Doch wenn wir mit dem was war oder dem was kommen wird in Konflikt sind, dann verliert unser Bewußtsein die Fähigkeit im Augenblick anwesend zu sein. Wir können dann nicht mehr aufnehmen was gerade passiert und angemessen reagieren.
So kann man als einfache Formel sagen, daß wir nur dann wirklich präsent sein können, wenn wir mit dem was ist in Einklang sind.
Innerer Konflikte beenden Präsenz
Passiert im Augenblick - also nicht in der Zukunft und Vergangenheit etwas, mit dem wir in Konflikt kommen, verlieren wir ebenfalls Präsenz. Unser emotionales Gehirn möchte dann die Situation wie sie ist beenden. Wir schalten auf Abwehr, werden wütend oder fühlen uns ohnmächtig.
Wir kriegen Stress, spannen uns an und bekommen alle möglichen unangenehmen Körpergefühle. Sobald wir in dieser Reaktion sind, unterbrechen wir Beziehung, und verlieren unsere Fähigkeit zur Empathie.
Wir sind in der Stressreaktion auf einen ganz kleinen Ausschnitt unserer Selbst reduziert und sind abgeschnitten von unseren Ressourcen.
Wieder in den Augenblick zurück finden
In einer Stresssituation wieder in den Augenblick zurück zu finden ist eine der Grundkompetenzen von Achtsamkeit.
Mit Übung ist es möglich auch in schwierigen Situationen zu sich zu kommen. Über die Verbindung mit unserem Körper, der immer im jetzt ist - mit unserem Atem, der uns wieder mit der tatsächlichen Erfahrung des Augenblicks verbinden kann - und die bewußte Entspannung von Anspannungen in der Situation.
Wie gut das für mich funktioniert konnte ich mittlerweile unzählige male erleben. Aber eine Sache dabei war mir immer unklar: In dem Moment wo ich zu mir zurück finde bin ich ganz bei mir. Mein Gegenüber wird dabei erst mal ausgeblendet. Solange bis ich wieder in Kontakt mit der Situation sein kann. Bis ich wieder in Beziehung gehen kann.
Ich hab daher immer versucht dieses "zu mir kommen" so unauffällig wie möglich zu gestalten, weil ich sozusagen dabei nicht unhöflich sein möchte.
Meine Beobachtung
Was ich jetzt lernen konnte war, daß die Kommunikation aufrecht bleibt, wenn ich zu mir komme. Wenn ich ganz bewußt mit mir in Kontakt gehe, löst das bei meinem Gegenüber aus, daß er auch mit sich in Kontakt geht.
Gerade in einem Konflikt entsteht genau dadurch wieder Kontakt. Durch das Innehalten und Nachspüren. Seit mir das bewusst geworden ist, nehme ich mir immer größere Freiheiten darin auch in Situationen mit anderen Menschen wieder "in den Augenblick zurück zu finden."
Denn nur in der Verbindung mit dem Augenblick wie er ist, wird Beziehung möglich.