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Halten und gehalten werden


Vor kurzem war ich in einem Meditationskreis, in dem es um das Thema ging, wodurch ich im Leben gehalten werde. Der Text, der in der Runde gelesen wurde hieß "Irgendwie werde ich immer gehalten" von Jeff Foster.

Halt finden

Als Baby werden wir gehalten - erst im Bauch und dann in den Armen unserer Eltern. Gehalten werden ist das Urgefühl von Sicherheit.

Ich kann mich erinnern, daß meine Tochter als Baby oft gerade am Abend vor dem Einschlafen in einen Zustand gekommen ist, in dem sie sich nicht beruhigen konnte. Ihr Zustand kam mir "haltlos" vor. Also bin ich meinem Instinkt gefolgt, und habe sie gehalten - so lange bis sie sich ganz beruhigt hatte, und entspannt einschlafen konnte. Das Ergebnis war immer das Gleiche - tiefe Ruhe, Nähe und Entspannung.

Urvertrauen

Wenn wir die Erfahrung machen daß wir gehalten werden, wenn uns etwas zu viel ist - daß da jemand ist, der uns Halt geben kann, wenn es schwer ist und wir Hilfe brauchen, dann bekommen wir Vertrauen. Dann vertrauen wir darauf, daß wir auch Dinge probieren können, die uns an unsere Grenzen bringen. Denn zur Not finden wir Halt. Wir sind nicht alleine.

Wo wir das schon früh erleben dürfen entwickelt sich ein Urvertrauen ins Leben und darin, daß uns nichts passieren kann. Dann geht es uns so wie dem Autor des Textes aus dem Meditationskreis - dann fühlen wir uns "immer irgendwie gehalten".

Wenn wir gehalten werden, ist das am Anfang unseres Lebens ein ganz körperlicher Vorgang. Jede Berührung beruhigt uns auf körperlicher Ebene. Streß fällt von uns ab und wir kommen in eine tiefe Entspannung. Das ändert sich auch später im Leben nicht. Wirklich körperlich gehalten zu werden und das zulassen zu können, weil wir vertrauen, bleibt immer eine wichtige Ressource.

Meine Tochter nutzt das auch heute im Alter von 15 Jahren noch ganz bewußt. Nach anstrengenden Tagen läßt sie sich halten und merkt ganz bewußt wann sich etwas in ihr entspannt. Dann paßt es wieder.

Wir lernen zu lieben, indem wir geliebt werden. Und wir lernen andere zu halten, weil wir gehalten wurden. Wir lernen uns selbst zu vertrauen, weil wir anderen vertrauen können.

Wo dieses Urvertrauen erschüttert wurde - wo wir statt Halt Gleichgültigkeit uns gegenüber erlebt haben oder jemand, der uns erklärt hat, daß unsere Gefühle nicht angemessen sind - dort finden wir keinen Halt. Und so wird auch unser Vertrauen nachhaltig erschüttert, daß wir Halt finden können.

Wem es so geht, der neigt dazu sich viel auf die eigenen Schultern zu nehmen und es nicht zu teilen. Er fühlt sich leicht alleine und mißverstanden.

Etwas gemeinsam halten können

Wenn wir die Erfahrung des Gehalten Werdens gemacht haben, dann haben wir auch die Kapazität andere zu halten. Halten im Sinne von anwesend sein und etwas Schwieriges mit einem Menschen gemeinsam halten zu können - ohne ihn oder die Situation in dem Moment anders haben zu wollen, als er ist.

Wir können ein Thema, einen Raum, eine Situation gemeinsam halten. Ohne etwas tun zu müssen. Aber das Halten wird leichter.

Wir verlieren uns immer wieder in unserem Leben und dann finden wir uns wieder. Dieser Kreislauf endet nie. Für keinen von uns.

Wann immer wir uns verlieren brauchen wir jemand, der uns Halt gibt und Orientierung. Und das nächste mal können wir wieder jemandem Halt geben.


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