Alles was in Beziehung tritt, darf heilen. Das ist ein Satz, der für mich die Wurzel unserer menschlichen Bedürfnisse berührt. Dieser Satz ist auf so vielen Ebenen wahr. Besonders offensichtlich wird seine Bedeutung in diesem Vortrag von Victoria Sweet - einer Ärztin, die ihre Beziehung zum Patienten zum Mittelpunkt ihrer Behandlung macht.
Victoria Sweet erzählt in ihrem Ted Talk von einer Entwicklung, die sich in den letzten Jahrzehnten in allen Bereichen vollzogen hat - so auch in der Medizin. Alles wird dem Gedanken der Effizienz unterworfen - und dadurch opfern wir das Menschliche. Was besonders schmerzt, wenn einem das Wohlergehen der Patienten am Herzen liegt. Wenn man sich also im Krankenhaus als Arzt seiner ursprünglichen Aufgabe widmen möchte - Menschen zu helfen.
Effizienz führt oft dazu, daß die Verwaltung einer Institution wächst, während die Leute, die die ursprünglichen Aufgaben wahrnehmen immer weniger werden und einen guten Teil ihrer Arbeit auch mit Verwaltung verbringen müssen. Ärzte und Schwestern müssen so viel dokumentieren, daß sich alles wunderbar ausgeht am Ende des Tages - nur um den Patienten können sie sich dabei nicht mehr kümmern. So kann man auf einmal ein Krankenhaus mit einem Bruchteil der Ärzte und Schwestern führen - aber zu welchem Preis?
Victoria Sweets Vortrag, der sich auf die Geschichte eines Krankenhauses in San Francisco bezieht, ist für mich wie ein Gleichnis. Denn die Geschichte dieses Krankenhauses steht stellvertretend dafür wie wir in unserem Leben Effizienz für Menschlichkeit und Beziehung tauschen.
Und dafür, daß uns diese Entwicklung krank macht. Weil die wahren menschlichen Bedürfnisse in der Effizienz nicht erfaßt werden. Dort hat die Effizienz einen blinden Fleck. Wenn alles dem Verstand unterworfen wird und das Herz nicht einen ebenso großen Platz bekommt, leben wir zwar effizient, aber die Erfahrung des Lebens wird sinnlos.
Wunderschön ist es, wenn Victoria Sweet über die menschliche Effizienz bei gleichzeitiger bürokratischer Ineffizienz erzählt. Wenn sie über einzelne Fallgeschichten spricht. Dann sieht man was passiert, wenn man Beziehungskultur nicht auf dem Altar von Effizienz und der Wirtschaftlichkeit opfert.
Eine Lehre hat Victoria Sweet aus ihrer Karriere mit genommen: Medizin ist persönlich - sich von Angesicht zu Angesicht begegnen. Und wenn Medizin persönlich ist, heilt sie auch.
Ihr Motto: "The secret in the care of the patient is in caring for the patient!"
Victoria Sweet ist im Laufe ihrer Karriere zu einer Überzeugung gelangt: Ein guter Arzt ist nicht jemand, der etwas repariert, was kaputt ist - wie ein Mechaniker. Ein guter Arzt ist jemand, der ein waches Auge dafür hat, was den Selbstheilungskräften des Patienten im Weg steht. Wenn er diese Dinge aus dem Weg schafft, entsteht Heilung.