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Unsere Aufmerksamkeit ist immer gleich hoch

Es hat mich ursprünglich überrascht, dass meine Aufmerksamkeit immer gleich hoch ist. Denn es macht wirklich oft nicht den Anschein - wenn ich zerstreut bin, Dinge vergesse, in die falsche Richtung losfahre oder nicht mitbekomme, was jemand sagt, obwohl er direkt vor mir sitzt und ich ihn anschaue.


Unsere Aufmerksamkeit ist immer gleich hoch I Achtsamkeit Blog

Doch wenn ich genauer hinschaue, gibt es ein Muster, in dem diese Zustände vermehrt auftauchen. Nämlich überall dort, wo ein "zu viel" mein Leben bestimmt. Und vor allem dort, wo das "zu viel" auch noch mit Themen zu tun hat, die mir Angst machen.


Wie sich meine Aufmerksamkeit zerstreut


Überall dort, wo ich zu viele Aufmerksamkeiten gleichzeitig habe, werde ich zerstreut. Das ist nur natürlich. Ich kann mich nicht auf 15 Dinge gleichzeitig fokussieren. Überall dort, wo Ängste mit diesen Dingen verbunden sind, widmet mein Gehirn diesen zusätzlich deutlich mehr Aufmerksamkeit. Denn alles, was bedrohlich ist, muss aus der Logik meines Gehirns zuerst bearbeitet und gelöst werden. Solange das nicht geschehen ist, lassen mir diese Dinge wortwörtlich keine Ruhe.


Gleichzeitig beginnt mein Gehirn, mich davor zu schützen, dass ich noch zusätzliche, neue Informationen aufnehme oder Aufgaben annehme. Denn es hat ja mit denen genug zu tun, die schon da sind. So verliere ich meine Präsenz und Aufmerksamkeit für das, was gerade in diesem Moment passiert. Ich bin sozusagen permanent in mir - beschäftigt mit Dingen, die sehr oft gar nichts mit dem jetzigen Moment zu tun haben, sondern mit Vergangenem und Zukünftigem.


Bin ich so verbunden mit allem möglichen, das nicht Teil meiner jetzigen Erfahrung ist, verliere ich mich. Ich spüre mich nicht mehr, grüble viel und drehe mich im Kreis.


Zu viele Dinge und noch dazu mit Ängsten verbunden macht aus mir also einen zerstreuten, ängstlichen Menschen, der seine Präsenz verliert, der sich nicht mehr spürt und der sich aus Beziehungen zurückzieht.


Doch genau genommen habe ich eine gleich große Aufmerksamkeit wie immer.


Aber wenn mein Gehirn zu viele Dinge gleichzeitig halten muss, dann ist irgendwann ein Limit erreicht. Neues aufnehmen, lernen, neugierig sein, sich lebendig fühlen - dieses Lebensgefühl wird einem dann fremd. Denn die Aufmerksamkeit ist in so viele Teile zerstreut, dass es nicht mehr möglich ist, die Energie aufzubringen, sich einer Sache in der Tiefe zu widmen.


Fokus finden


Einen Fokus zu finden, ist also die wesentliche Sache, wenn ich wieder zu mir finden möchte. Einen Fokus finden bedeutet, die Aufmerksamkeit, die zu jedem Augenblick zu 100% da ist, zu bündeln und einer Sache zur Verfügung zu stellen.


Im Wesentlichen gibt es dafür zwei Strategien. Die erste mögliche Strategie heißt ganz einfach "weniger" von dem, was zu viel ist und "weniger" von dem, was mir Angst macht. Jede Form von Reduktion erlaubt mir wieder, in Ruhe hinzuschauen. Das führt dazu, dass ich Dinge nicht nur schnell durchdenke und erledige, sondern tatsächlich nachspüre und mir Zeit nehmen kann. Und das wiederum führt dazu, dass ich zu deutlich besseren Entscheidungen komme, was wiederum den Stress reduziert. Erst wenn ich aus der Überforderung durch ein zu viel und durch Ängste raus komme, finde ich wieder in ein Lebensgefühl, das von Freude, Lebendigkeit, Präsenz, innerer Ruhe und Zufriedenheit getragen ist.


Diese ganzen guten Eigenschaften spiegeln sich in einem Körperzustand - ich kann in der Tiefe entspannen und in mir loslassen. In diesem Zustand komme ich in Einklang mit mir selbst, finde wieder Fokus und kann ich Menschen und Dingen in der Tiefe widmen. Innere und äußere Konflikte gehen zurück und das Leben fühlt sich gut an.

Leider ist das ein Zustand, der in unserer Leistungs- und Konsumgesellschaft auf natürliche Weise oft nicht mehr vorkommt.


Es braucht den bewussten Fokus, um sich dem zu viel zu entziehen.


Überall, wo ich reduzieren kann, tritt wieder innere Ruhe ein. Ich habe gerade nach einem sehr arbeitsreichen Monat und vielen Extrathemen den Schreibtisch meines Computers aufgeräumt. Und ich merke, wie sich sofort Ruhe und Entspannung in meinem Körper breit machen. Dinge sind erledigt, es entsteht wieder innere Ordnung und ich tauche wieder im jetzigen Moment auf.


Achtsamkeit und bewusster Fokus auf den Augenblick


Es ist leider nicht immer möglich, alles so weit zu reduzieren, dass ich wie von allein zur Ruhe komme. Es gibt ganze Lebensphasen, die das kaum erlauben. Existenz aufbauen, Kinder bekommen, Wohnung kaufen, Anforderungen von allen Seiten spüren. Oft ist es über Jahre nicht möglich, das "zu viel" wirksam in den Griff zu bekommen.


Hier kommt die Achtsamkeit ins Spiel. Man kann die Achtsamkeit als ein Training des Gehirns sehen, den Fokus, die gesammelte Aufmerksamkeit auf den jetzigen Moment, den Atem, die Körperempfindungen und die Sinne zu legen. Denn alle drei sind mit dem Körper verbunden - und der Körper ist immer im Jetzt. Mein Körper kann nicht mal eine Sekunde in der Zukunft sein - im Unterschied zu unseren Gedanken und Gefühlen.


Unsere Gedanken und Gefühle, die in die Zukunft oder Vergangenheit gehen, verbinden uns mit Situationen, die Gefühle in uns auslösen - so als würden wir die Situation jetzt gerade erleben. Denken wir an etwas, was uns Angst macht, haben wir Angst. Und zwar das Maß an Angst, das wir in der Situation selbst hätten, wäre sie gerade real.

So werden wir sozusagen aus unserem jetzigen Leben in ein Paralleluniversum entführt, in dem wir Ängste haben, die gar nichts mit der Situation zu tun haben, in der wir jetzt in diesem Moment gerade sind.


Verbinden wir uns mit unseren Sinnen über den Körper mit dem jetzigen Augenblick und üben diesen Fokus zu halten, passiert etwas ganz Einfaches. Wir sammeln unsere zerstreute Aufmerksamkeit wieder ein und fokussieren sie auf einen Punkt. Auf unser jetziges Erleben.


Die Aufmerksamkeit wird dabei nicht mehr und nicht weniger. Sie ist immer gleich hoch. Aber durch Achtsamkeit bekomme "ich" wieder die Fähigkeit, zu entscheiden, wohin meine Aufmerksamkeit geht.


Mit dem Fokus auf den Körper, die Sinne, den Atem und den jetzigen Moment passiert etwas Magisches. Meine Ängste in Bezug auf die unerledigten oder zukünftigen Dinge verschwinden Stück für Stück. Denn die zugehörigen Gefühle werden einfach nicht ausgelöst, da ich an diese Situationen nicht denke.


Da ich mich in diesem Fokus beruhige, werde ich gleichzeitig zur besten Version meiner selbst. Ich bin nicht mehr zerstreut, ich habe keinen Tunnelblick mehr. Ich kann mich der jetzigen Situation mit meiner vollen Präsenz widmen und die bestmögliche Lösung finden. So kann ich etwas abschließen und mich dann etwas anderem zuwenden.


Und ich kann auch einfach mal nur sein - den Augenblick, so wie er ist, genießen. Ohne etwas tun zu müssen. Ich kippe leichter in eine Seinsenergie, statt in ständig vom inneren Antreiber gehetzt zu werden. Und genau das führt wieder zu wirklicher Ruhe und tatsächlicher tiefer Entspannung in meinem Körper und meinen Gefühlen.


Auf diese Weise ist die Achtsamkeit aus meiner Sicht eine Haltung gegenüber dem Leben und seinen vielen Anforderungen, die es erlaubt, gleichzeitig sehr aktiv zu sein "und" sich gut zu regenerieren, bei sich zu bleiben "und" seine Beziehungen gut leben zu können. Und das ist in sich schon ziemlich viel.


So hat mir die Achtsamkeit auf jeden Fall in den letzten Jahren geholfen, die beste Version meiner selbst zu sein.


Die Aufmerksamkeit, die ich habe, ist immer gleich hoch. Zu lernen, wie ich diese Aufmerksamkeit bündeln kann, ist eine Grundkompetenz der Achtsamkeit. Wer sich gut darin einüben möchte, dem empfehle ich den im ganzen deutschen Sprachraum angebotenen MBSR Kurs.


 

Übung:


Die Übung für diese Woche ist, sich eine er beiden im Blogbeitrag beschriebenen Strategien zunutze zu machen. Alles, was zu viel ist und was Angst macht, zu reduzieren. Bei Überforderung die Erschöpfung bewusst wahrnehmen und die einzige Antwort mit gutem Gewissen erlauben, die bei Erschöpfung angemessen ist - ausruhen, mich erholen, bis ich wieder zu Kräften komme und mich voller Energie fühle.


Wo diese Strategien aufgrund meiner derzeitigen Lebenssituation lebensfremd scheinen und einfach nicht durchführbar sind, dort empfehle ich, sich in der eigenen Umgebung einen guten Anbieter für den MBSR Kurs zu suchen und in diesem 8-Wochen-Kurs die Haltung der Achtsamkeit einzuüben, in der ich lerne, dem Stress in einer anderen Haltung zu begegnen und meine Aufmerksamkeit wieder selbst zu steuern.


(MBSR steht für Mindfulness based Stress Reduction - Stressreduktion auf der Basis von Achtsamkeit).

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