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Beziehungsmuster ganz pragmatisch ändern

Unsere Beziehungen prägen unsere Persönlichkeit. "Wie muss ich mich verhalten, damit ich dazu gehören darf?" Diese Frage wird in jeder Familie anders beantwortet - und so prägt sie unsere Persönlichkeit ganz unterschiedlich.

Beziehungsmuster ganz pragmatisch ändern I Achtsamkeit Blog

Einmal in der Kindheit erlernte Wege, wie ich in Beziehung komme, prägen sich ganz tief in mir ein und werden daher zu unbewussten automatisierten Mustern, mit denen ich auch als Erwachsener in Beziehung gehe. Das heißt, ich mache in Beziehung aus alter Gewohnheit immer wieder das Gleiche, ohne es bewusst mitzubekommen.


So sind wir als Menschen gebaut. Gewohnheitsmäßige Muster prägen 95 % aller unserer täglichen Entscheidungen. Und das einfach deshalb, weil unser Unbewusstes viel komplexere Abläufe steuern kann, als unser Bewusstes. Ohne diese Fähigkeit unseres Unbewussten wären wir nicht überlebensfähig - wir könnten weder gehen, noch stehen, noch jemandem die Hand schütteln, geschweige denn komplexere Aufgaben erledigen. Alles, was wir lernen, wird in solchen gewohnheitsmäßigen Mustern gespeichert und abgerufen - sei es Gedächtnisinhalte oder motorische Fähigkeiten.


Die Art, wie wir jemand die Hand geben, wie wir uns eine Jacke anziehen, wie wir uns nach dem Duschen abtrocknen. Wir machen das immer gleich. Bewusst weiß niemand, wie er das eigentlich macht, eine Jacke anzuziehen. Aber wir machen es jeden Tag.


Wie dienen mir meine Muster?


Es gibt unzählige gewohnheitsmäßige Muster, die mir so in meinem Leben gut dienen. Diese Muster kann ich genauso lassen, wie sie sind und mich darüber freuen.


Und - es gibt Muster, die mir immer wieder im Weg stehen, die mir nicht gut dienen.


Die Frage ist - wie kann ich diese Muster erkennen? Und wie kann ich sie ändern?


Muster, die mir nicht gut dienen, erkenne ich ganz einfach daran, dass ich an einer bestimmten Stelle in meinem Leben immer wieder das Gleiche erlebe, während ich sehe, dass es anderen Leuten da anders und besser geht.


Es gibt immer etwas, was "ich" tue, damit ein sich wiederholendes Muster entsteht. Es sind nicht die anderen, die mich auf magische Weise immer wieder dahin bringen.


Die Kunst ist, das Muster zu erkennen und etwas anders zu machen, als man es gewohnt ist. Ich verstehe jeden, der diesen Satz jetzt liest und sich denkt - ja, wenn das so einfach wäre, dann würden es ja alle machen und niemand hätte mehr Probleme.


Tatsächlich ist es nicht so schwierig, "wenn" man den Weg achtsam und bewusst geht und dabei gut orientiert ist.


Achtsam Muster ändern


Da unsere Muster unbewusst ablaufen, ist der erste wichtigste Schritt, sie bewusst zu machen. Sie zu identifizieren und zu sehen - ja, das ist ein Teil meines Lebens, wo immer wieder das Gleiche passiert. Das kenn ich schon. An der Stelle stehe ich immer wieder.


Dann ist es hilfreich hinzuschauen, was ich da immer wieder gleich mache und mich nachher darüber ärgere. Wo höre ich nicht auf mein Bauchgefühl und ärgere mich nachher? Diese Fragen führen mich auf die richtige Spur.


Um zu wissen, wie die Achtsamkeit dann weiter vorgeht, ein ganz pragmatisches Beispiel, in dem sich Viele wieder erkennen werden. Dieses Beispiel kann ich dann auf alle möglichen anderen Themen anwenden.


Ich hab schon wieder ja gesagt, und es dann bereut


Manche Menschen sind einfach sehr freundlich und herzlich und sagen gerne ja, wenn jemand mit einem Bedürfnis auf sie zukommt. Das ist auch gut so - denn auf diese Weise kommen wir gut in Beziehung.


Die Sache hat nur einen toten Winkel. In dieser Haltung verliere ich oft die Fähigkeit, auf meine eigenen Bedürfnisse zu schauen. Infolge dessen fühle ich mich dann oft als Opfer der Bedürfnisse anderer und übersehe dabei, dass ich selber der Täter bin.


Wenn ich immer wieder ja sage, habe ich ein großes Herz für andere, aber ich habe nur ein kleines Herz für mich. Ich bin dann nicht mehr so wichtig. Und so verrate ich mich selbst. So komme ich aus dem Gleichgewicht zwischen inneren und äußeren Bedürfnissen, die sich in einer guten Beziehung die Waage halten.


Kann ich eine Beziehung so leben, ist mein Bedürfnis gleich wichtig wie deines. Meines ist nicht weniger wichtig und nicht wichtiger. Das ist die einzige Haltung, die mich wirklich in der Tiefe in Beziehung führt. Mit mir selbst "und" mit meinem Gegenüber.


Innehalten - und dann?


Die Strategie der Achtsamkeit ist vielleicht schon aus einigen Blog Beiträgen bekannt - das Innehalten.


In Bezug auf unser Beispiel bedeutet das - Innehalten - und nicht gleich Ja sagen.


Nicht gleich und automatisch das tun, was ich immer mache. Das ist schon der schwierigste Teil, an der Stelle zu unterbrechen. Der Rest ist vergleichsweise einfach.


Mein achtsamer Tipp, für jeden, der immer ja sagt, ist recht radikal. Nach Möglichkeit "nie" mehr einfach ja zu sagen!


Was tue ich stattdessen?


Ich lege mir eine ganze Liste an Sätzen zu, die folgendermaßen klingen: "Ich schau mir das an." Ich melde mich morgen bei dir." "Das klingt interessant, lass uns das am Abend besprechen." "Ich werde mit xy darüber reden." Und so weiter. Wenn die Liste klar ist und die Sätze im besten Fall auf meinem Computer kleben und ich sie in dem Moment aussprechen kann, wo jemand etwas von mir möchte, ist das Schwierigste schon geschehen.


Das Muster, die Gewohnheit, wirkt deswegen so stark, weil ich in dem Moment, wo mich jemand etwas fragt, meinen Raum verliere. In dem Moment bin ich in dem Muster nicht mit meinem Bedürfnis und dem was mir möglich ist, verbunden. Ich sage einfach ja - und 10 Minuten später frag ich mich schon wieder, warum ich das getan habe, wo mir doch ohnehin schon alles zu viel ist. Aber jetzt hab ich schon ja gesagt - jetzt kann ich den anderen nicht hängen lassen, nicht zurückrudern.....


Das Innehalten und die oben erwähnten Sätze zu sagen, unterbricht das Muster.


Meinen Raum spüren und nutzen


Wenn ich dann wieder alleine bin, kann ich meinen Raum spüren und nutzen. Ich kann mich ganz bewusst fragen, wie es "mir" damit geht, in der vorliegenden Sache ja zu sagen. Wie angespannt werde ich bei dem Gedanken? Je angespannter ich werde, desto mehr Angst habe ich. Wie viel Freude macht es mir, dem Wunsch nachzukommen? Je weniger Freude ich habe, desto weniger Motivation werde ich aufbringen. Umso mehr muss ich mich zwingen.


Auf diese Weise fragt man sehr einfach das ab, was wir alle als Bauchgefühl kennen. Das Bauchgefühl ist nichts anderes als die Kombination dieser beiden Fragen. Und so weiß ich in dem Moment ganz bewusst, ob ich gegen mein Bauchgefühl entscheide, wenn ich ja sage. Und ich weiß auch ganz bewusst, ob ich gerne ja sagen und die Sache ganz toll finde.


Diese Bewusstheit kann nur entstehen, wenn ich mir die Zeit nehme, mir den Raum nehme, ganz bewusst in mich hinein zu spüren.


Dann ist es möglich ein Ja zu finden, das wirklich von Herzen kommt und mit dem ich mich nicht selbst verrate. Ein ja, in dem innen und außen im Gleichgewicht sind.


So kann jedes Beziehungsmuster ganz pragmatisch ändern. Jedes Muster in meinem Leben ist ein Beziehungsmuster. Und sei es die Art, wie ich jemandem die Hand gebe. Denn jedes Muster hat immer damit zu tun, wie ich mit der Welt in Beziehung gehe.


Das Prinzip bleibt immer das Gleiche


Das Prinzip des bewussten Innehaltens und des bewussten Kontaktaufnehmens mit meinen Bedürfnissen ist in der Achtsamkeit immer das Gleiche.


Der schwierigste Teil daran ist, in dem Moment, wo ich im Muster schnell und unbewusst handle, unterbrechen zu können. Gelingt das, führt alles danach in eine andere Perspektive und eröffnet neue Handlungsmöglichkeiten. Damit entstehen Möglichkeiten für Wachstum und Lernen in Bezug auf das Muster.


Wird es mir für eine Zeit zur Gewohnheit, nicht mehr ja zu sagen, werde ich immer besser darin, mich bewusst zu spüren. Nach einiger Zeit spüre ich mich vielleicht schon in dem Moment, in dem mich jemand um etwas bittet. Dann kann ich gleich ja oder nein sagen, weil ich mich in der Situation selbst gut wahrnehmen kann.


Dann hat sich mein Beziehungsmuster und meine Persönlichkeit in Bezug auf das Ja sagen nachhaltig verschoben.

 

Übung:


Die Einladung für diese Woche ist, im eigenen Leben auf Muster zu achten und die oben beschriebene Strategie der Achtsamkeit für sich selbst zu erforschen und auszuprobieren.


Eine kleine Hilfe: Muster, die uns wieder und wieder begegnen, belegen wir gerne mit dem Wort "immer". "Immer" bin ich immer zu schnell, ich sage immer ja und bereue es dann, ich vertraue immer jedem, der kommt, ich denke immer, jemand will mir was Böses,....


Was auch immer da aus der eigenen Biografie nach oben taucht, probiere in den Situationen innezuhalten und einen Raum für dich zu finden, in dem du dich selbst und dein Bedürfnis wahrnehmen kannst und entscheide von dort aus.


In welche Erfahrungen führt dich das? Wie ist es, wenn es gelingt, einmal anders zu reagieren, als ich es von mir selber kenne?


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