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Meine Gedanken brauchen mich nicht


Wer meditiert stellt schnell fest - er kommt nicht wirklich zur Ruhe.

Was mache ich mit meinen Gedanken, was mache ich mit meinen Gefühlen, und was mache ich mit dem was mein Körper tut, während ich meditiere - und Geräusche lasse mich vielleicht auch nicht zur Ruhe kommen. Alle vier Elemente "stören" mich in meiner Konzentration auf den Atem im Jetzt.

Die Störungen existieren, sie lenken mich von der Aufmerksamkeit auf meinen Atem ab. Die Praxis der Achtsamkeit hat allen "Störungen" gegenüber eine klare und einfache Haltung. Sie gehören dazu - sie sind nicht schlimm. Es gibt einen Punkt, an dem wir merken, daß wir durch Gedanken, Geräusche, Gefühle, oder Körpergefühle abgelenkt werden. An dem Punkt, an dem wir das merken, kehren wir mit unserer Aufmerksamkeit wieder zum Atem zurück - solange, bis wir wieder abgelenkt werden - und dann beginnt der Kreis von Neuem.

Meditation in der Achtsamkeit ist eine Übung darin immer wieder zurückzukehren zu unserem Atem. Diese Übung ist verbunden mit der Erkenntnis, daß wir uns immer wieder verlieren, und auch immer wieder finden können.

Je länger wir uns in der Praxis der Meditation der Achtsamkeit üben, desto mehr wird es uns gelingen im Augenblick zu sein - in der Meditation, und durch die Übung der Meditation auch mehr und mehr im Alltag.

Sobald wir still werden, beginnen wir uns selbst und unsere Sinneswahrnehmungen viel stärker wahrzunehmen.

Ganz besonders gilt das für unsere Gedanken, die fast immer mit etwas beschäftigt sind, das die Vergangenheit betrifft, oder dir Zukunft. Die Gedanken landen nur ganz selten im Augenblick. Sie sind damit beschäftigt Dinge zu verarbeiten und andere Dinge zu planen.

Zudem springen sie ständig von einem Thema zum Anderen, oder sie beißen sich an einem bestimmten Problem fest, und grübeln an ihm herum wie wild. Daher sind die Gedanken auch die vordergründigsten Störungen beim Meditieren. Weil sie unablässig aktiv sind.

Es ist also wichtig, eine Haltung gegenüber den Gedanken zu finden, die hilfreich ist. Wir sind es gewöhnt, so mit unseren Gedanken beschäftigt zu sein, daß wir uns gern mit ihnen identifizieren. Dann sagen wir - ich denke. Diese Formulierung beinhaltet das Gefühl, daß alles was ich bin denkt, und ich sonst nichts mehr wahrnehmen kann. Auf diese Weise kriegen wir zu unseren Gedanken keinen Abstand und können sie nur schwer vorbeiziehen lassen, während wir uns auf unseren Atem konzentrieren.

Hier eine Beobachtung, die hilft, diese Identifikation ein bißchen aufzuheben.

Meine Gedanken brauchen mich nicht

In einem Monat, in dem ich vor Arbeit weder ein noch aus wußte, hatte ich ein dreitägiges Achtsamkeitsseminar gebucht. Zu dem Zeitpunkt war mein Hirn schon heiß gelaufen, weil es so viele unerledigte und noch nicht gelöste Probleme gab, daß mein Verstand mit dem Lösen nicht nachgekommen ist. Ich hatte also einen echten Lösungsstau - wollte aber auch unbedingt auf das Achtsamkeitsseminar.

Zu meiner Überraschung konnte ich mich völlig auf das Seminar einlassen und den ganzen Tag über kam kein Gedanke, der mit der Arbeit und den ungelösten Problemen zu tun hatte.

Am Abend bin ich mit dem Fahrrad nach Hause gefahren - und dabei mußte ich jede 100 Meter stoppen. Jede 100 Meter habe ich mir eine wichtige Lösung zu einer beruflichen Frage aufgeschrieben. Woher kamen diese Antworten? Ich hatte ja nicht aktiv darüber nachgedacht. Am zweiten Tag war es genau so. Und am dritten Tag in der Abschlußmeditation hatte ich eine Erkenntnis.

Es denkt

Während ich meditiert habe, Übungen der Achtsamkeit gemacht habe, und dabei ganz präsent war, haben meine Gedanken weiter gedacht. Ganz in Ruhe - ohne von mir dabei gestört zu werden. Dabei sind meine Gedanken offensichtlich auf Ergebnisse gekommen. Doch da meine Gedanken gemerkt haben, daß meine Aufmerksamkeit ganz woanders war, waren sie so aufmerksam, jeweils zu warten bis das Seminar vorbei ist, um mir am Abend ihre Lösungen mitzuteilen.

Diese ganze Beobachtung hat in mir ein ganz klares Gefühl ausgelöst: meine Gedanken brauchen mich nicht. Und ich bin nicht meine Gedanken. Meine Gedanken sind ein Teil von mir, aber ich bin zu jedem Zeitpunkt mehr als nur meine Gedanken.

Mit genau dieser Haltung konnte ich die Abschlußmeditation fortsetzen. Wann immer ein Gedanke in mein Bewußtsein kam, konnte ich ihm damit begegnen, daß er mich ja nicht braucht zum Denken. Ich konnte ihn in Ruhe sein Ding machen lassen, während ich mich in Ruhe weiter auf meinen Atem konzentrieren konnte.

Im Vertrauen, daß meine Gedanken gut denken, und sich zum richtigen Zeitpunkt mit der Lösung melden, kann ich den aktiven Teil meines Bewußtseins aus dem Denken zurückziehen. Und das ist gut so - denn das Bewußtsein neigt dazu den Prozeß des Denkens mit Urteilen, Ängsten, und Bedenken zu stören, die das Denken viel schwerer machen.

Ich kenne einige Leute, die nur meditieren, weil sie merken, daß sie danach immer die Lösungen für Probleme finden, die sie gerade brauchen. Das ist eine Wirkung von Meditation. Aber natürlich geht die Wirkung von Meditation darüber hinaus.

So wie ich es sehe, erledigt das Bewußtsein seine Aufgabe am besten, wenn es in einer Haltung der Welt gegenüber tritt, in der es alles sein läßt wie es ist. Wenn es mit Geduld und Vertrauen ins Leben geht. Auch mit dem Vertrauen, daß die Gedanken denken, die Gefühle fühlen, und die Sinne wahrnehmen, ohne daß das Bewußtsein etwas anderes tun muß, als alle Gefühle, Gedanken und Sinneseindrücke gleichwertig zu achten.

Es kann sich auf den Augenblick zurückziehen und Gedanken, Gefühle und den Körper das machen lassen, worin sie gut sind, und wo das Bewußtsein eher stört.

 

Übung:

Wenn du das nächste mal meditierst, und dich dabei auf deinen Atem konzentrierst, begegne deinen Gedanken mit der inneren Haltung, daß sie sich zum Denken nicht brauchen. Daß sie das besser machen, wenn sie ungestört sind. Beobachte, ob diese Haltung dir erlaubt, präsenter zu sein und mehr Raum für die Wahrnehmung des Augenblicks zu bekommen.


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